altDARK LADIES III - Ein erotischer Traum / Gunda Plewe - www.literra.info

Wenn „Dunkle Damen“ zum Tanz bitten, lassen sich die Tanzpartner meist nicht lange bitten, es sei denn, die Verweigerung gehört zum Spiel. In diesem Fall bat Herausgeberin Alisha Bionda ihre Autoren um Texte zu Bildern der Künstlerin Gaby Hylla. Die Anthologie DARK LADIES III trägt den Untertitel EIN EROTISCHER TRAUM, und wer sich die Bilder der Künstlerin anschaut, bekommt eine ungefähre Ahnung davon, auf wie vielfältige Art und Weise der Funken bei den Autoren zünden musste. Von darkunschuldig über augenzwinkernd verschmitzt bis zum sprühenden Wechselspiel aus Schmerz und Lust ist alles dabei.
Nach dem Vorwort der Herausgeberin eröffnet Aimee Laurent den Reigen mit TOCHTER DES SHANNON. Die Geschichte der jungen Witwe Amber, die nur eines möchte, nämlich sterben und mit ihrem geliebten Connor wieder vereint sein, ist eine gelungene Mischung aus Erotik und Romantik. Todessehnsucht und Lust werden gekonnt vermischt und mit ansprechenden Worten in Szene gesetzt, wobei mir besonders gut die immerzu spürbare Sehnsucht hinter der Lust gefallen hat. Wer allerdings erwartet, mit einem romantisch-kitschigen Ende bestraft zu werden, wird von Aimee Laurent eines Besseren belehrt. Sie hat übrigens das Bild mit ihrer Geschichte um eine reife Frau, deren Alter nicht von ihrem Körper, sondern allein vom Gesichtsausdruck verraten wird, ihrerseits hervorragend illustriert.
Thomas Neumeier erschafft in DIE ECHSENHÜTERIN die passende Geschichte zur Amazone auf dem Bild Gaby Hyllas, die dem Betrachter einen verächtlichen Blick über die Schulter zuwirft. Xanna, Neumeiers Heldin, ist wehrhaft und moralisch aufrecht, lässt sich unterwerfen, aber nicht brechen. Der Dschungel wird zur Arena, in der auch die Erotik zur Waffe wird. Diese phantastische Kurzgeschichte mit Söldnern, die plündern und morden, spielt in einer Welt, die modern und uralt zugleich ist.
In DÄMONISCHE LUST von Antje Ippensen wird Yamilla von ihrer Herrin in Bedrängnis ins Rabengefiederland geschickt, um dort den Fluch zu brechen, der sie, die strenge Herrin, bedroht. Im Rabengefiederland gehört Yamilla Zado, dem kleingewachsenen, aber dominanten Herrn, und muss am Ort der Schmerzen ihre Mission erfüllen. Das ist keine einfache Aufgabe, vor allem nicht, wenn man vor Lust vergeht …
Wunderbar, wie Antje Ippensen aus der Herrin die Jungfrau in Nöten werden lässt und ihre devote Sklavin zum Ritter, Retter und Erlöser! Die mehrfache Neuordnung der Rollen vertieft den Reiz der phantastischen Sado-Maso-Geschichte, eröffnet neue Perspektiven und ist allein wegen der sprachlich gut gelungenen Beschreibung von Lust und Schmerz lesenswert.
Aus der Perspektive eines notorischen Weiberhelden in ALPHATIER erleben wir in Aino Laos’ Geschichte, was geschehen kann, wenn die eine Frau zu viel vernascht und liegengelassen wurde. Völlig unphantastisch, aber sehr phantasievoll, wird der gewissenlose Schwerenöter seiner gerechten Strafe zugeführt. Wieder wurde das Bild von Gaby Hylla gut umgesetzt, man meint beim Betrachten förmlich, in dem von Aino Laos beschriebenen Club zu schwitzen.
GUARDIA TEMPERA von Tanya Carpenter ist eine Geschichte, die immer wieder überrascht. Vanity ist eine Seelenwächterin, die immer neue Asche für die magische Sanduhr beschaffen muss, indem sie ihre Partner beim Sex verbrennt. Lebenszeit ist knapp, deshalb hat Vanity einen stressigen Job, und als sie an einen Mann gerät, der keine so einfache Beute ist wie gedacht, gerät Vanity ihrerseits ins Visier der Curari, die den Prozess der Lebenszeitgewinnung streng überwachen.
Tanya Carpenters Geschichte ist eine richtig gute phantastische Kurzgeschichte, in die man eintaucht und die man sozusagen ohne Reue genießen kann. Die Erotik spielt hier keine Hauptrolle, was sich zwischendurch äußerst angenehm las, es passt einfach perfekt und ist eine witzige Überraschung, von Sex als Mittel zum Zweck der Zeitgewinnung zu lesen. Wiederum wurden die Nuancen des Bildes sehr gut eingefangen – die halb unschuldige, halb verführerische Frau, die Ratte, der grüne und deshalb nicht allzu düstere Hintergrund.
Märchenhaft geht es in SHAH RA´ZAD von Uschi Zietsch zu, einer der besten Geschichten des Bandes. Ähnlich wie in Antje Ippensens Geschichte werden Rollen vertauscht, in diesem Falle ist es ein Schmied, der Shabune zu Diensten sein muss und sein Leben verlieren wird, sollte es ihm nicht gelingen, die Herrscherin auf Dauer zu fesseln. Uschi Zietsch lässt sich Zeit mit der Geschichte, wie sich der jungfräuliche, gut gewachsene Schmied Ra´zad Zeit lässt, seine Herrin zu verführen. Hier und da blitzt der subtile Humor auf und bereichert die langsame Verführungsgeschichte um unerwartete Momente. SHA RA´ZAD ist eine prächtige und hinreißende Märchenvariation, die ich mir ebenfalls sehr gut in einem Sammelband mit dem Thema „Märchen der anderen Art“ vorstellen könnte.
Tynvar der Schlächter ist ein Barbar, dessen Tage angefüllt sind von Blutvergießen, Vergewaltigung und ähnlich angenehmem Zeitvertreib. Nach einer erfolgreichen Tempelentweihung befreit er eine Dämonin, die ihm fortan zu Diensten sein muss, sie wird zu TYNVARS KÄTZCHEN. Sein Kätzchen ist die einzige, die ihm zu einer gleichwertigen Gefährtin wird, doch auch der Geduldsfaden der ergebensten Gefährtin reißt irgendwann – und was dann geschieht, ist selbst für einen Schlächter von Tynvars Format eine schwere Strafe. Ich mag diese Geschichte von Guido Krain sehr, die alles bietet, was eine Kurzgeschichte der Dark Ladies braucht: Eine Frau, deren charakterliche Tiefen nicht auf den ersten Blick sichtbar sind, Humor und Selbstironie, verpackt in eine sehr gut geschriebene Geschichte mit einem doppelbödigen Ende. Es lohnt sich hier besonders, sich das Bild der Künstlerin Gaby Hylla im Nachhinein noch einmal anzusehen und zu entdecken, welche Schwingungen Guido Krain aufgefangen und in Worte gefasst hat.
Ganz anders, aber beileibe nicht weniger faszinierend ist AGLARENZIA von K. Peter Walter. Seine Geschichte war die dunkelste von allen, sehr melancholisch, ungeheuer fesselnd. Lavinia, von allen „Sorriso“, das Lächeln, genannt, wird aus Not zur Hure und aus Liebe zur Muse eines Malers. Als sich der in der Familie grassierende Krebs bei ihr bemerkbar macht, erfährt sie durch die Hände eines Doktors eine Wandlung und wird zur halb lebendigen, halb mechanischen Puppe der höchsten Macht im Vatikan.
AGLARENZIA zählt für mich zu den besten Geschichten im Band und ist die beste Geschichte von K. Peter Walter, die ich lesen durfte. Sie hallt immer noch in meinem Kopf nach, und ich scheue mich nicht, diese Geschichte moralisch und humanistisch zu nennen – und, nicht nebenbei, extrem unterhaltsam. Die Art und Weise, wie der Autor die Gedanken einer mechanischen Puppe wiedergibt, ist einzigartig, dabei höchst gelungen.
Romantisch hat es begonnen, romantisch endet DARK LADIES III in der Geschichte von Elke Meyer. SCHWARZE GÖTTIN DER LUST erzählt von der Göttin Esra, die den willensstarken Feldherrn davon abhalten muss, ihre Heimatstadt zu zerstören. Im Netz von Verführung und Taktik erliegen beide Spieler der Versuchung. Die „schwarze Göttin“ ist ein guter Abschluss der Anthologie, mit dem richtigen Tonfall und der passenden Stimmung unter heißer Wüstensonne.

Fazit:
Es würde mich sehr wundern, wenn in dieser Anthologie nicht für jeden Leser etwas dabei wäre. Von zart bis hart ist jede Spielart der Erotik aufs Schönste in die Geschichten eingebunden.
Das besondere Bonbon ist neben den Werken der Künstlerin natürlich, dass hier eingetretene Pfade auf hohem Niveau verlassen werden, insofern dürfte auch der, der einfach mal etwas anderes lesen und genießen will, hier mehr als einmal fündig werden. Ich möchte auf jeden Fall noch betonen, dass alle Geschichten auch stilistisch beachtlich sind. Erotik muss eben weder langweilig noch vulgär sein. DARK LADIES III zeigt: Es geht auch anders, nämlich besser.