Petra Hartmann, LITERRA

Rezension "Unter dem Vollmond"

Petra Hartmann, LITERRA


Inhalt

Die Krankenschwester Verena Seiler ist die Heldin in Linda Budingers Roman „Unter dem Vollmond“. Seit sie als Kind ihre Familie sterben sah, kann sie in der Aura anderer Menschen deren Gesundheitszustand ablesen. Doch dann sieht sie eine Gestalt, deren Aura sie nicht deuten kann – im Stadtpark neben einer furchtbar zerstückelten Leiche. Der berüchtigte Serienmörder, dem die Presse den Namen „Lumpensammler“ gab, hat wieder zugeschlagen. Kurz darauf findet sich Verenas Foto in der Zeitung, verbunden mit dem Hinweis, sie sei die einzige Zeugin und könne wertvolle Hinweise auf den Täter geben.
Linda Budingers Roman steht in der Tradition der „gothic Novel“, Anspielungen auf englische Klassiker und ein Schloss mit einem vertrackten Grundriss lassen das vertraute Bild alter Schauerromane entstehen. Ein düster-geheimnisvoller Schlossherr und seine todkranke, aber dennoch sehr dominant auftretende Mutter, alchimistische Forschungen, Familiengeheimnisse und Ahnentafeln, vor langer Zeit verschwundene Mädchen, deren Leichen nie gefunden wurden, Zombies und die Suche nach dem ewigen Leben, dazu die Legende vom magischen „blauen“ Mond, dem zweiten Vollmond innerhalb eines Kalendermonats – das sind die Zutaten, aus denen Budinger ihre gruselige Geschichte braute.

Bewertung

Das Ganze ist spannend und flüssig erzählt, und man kann sich eines gewissen Grauens nicht erwehren. Es ist nicht leicht, diesen Roman wieder aus der Hand zu legen, der den Leser sehr schnell in seinen Bann zieht. Dabei entsteht die Gänsehaut weniger aus expliziter körperlicher Bedrohung der Heldin, obwohl die Begegnung mit dem „Lumpensammler“ und mit dem Schlossherrn nicht ungefährlich ist. Eher sind es Szenen wie Verenas Blick auf das uralte Foto eines der verschollenen Mädchen oder die Unmöglichkeit, aus diesem verqueren Schloss herauszukommen, die den Pulsschlag beschleunigen.
Einzig der Schluss, der etwas konstruiert wirkt, hätte eleganter gelöst werden können. Die Person, die dabei auftaucht, sollte eigentlich mit ihrer Motivation besser, ausführlicher und für den mitdenkenden Leser „fairer“ vorbereitet werden. Doch kommen Liebhaber eines Happy Ends nach dem großen Showdown voll auf ihre Kosten.
Sehr schön ist auch die Aufmachung des Buches, vor allem das stimmungsvolle Coverbild von Andrä Martyna. Doch auch die beiden Innen-Illustrationen, die im Fluss der Erzählung zum Innehalten und Zurückdenken einladen, sind gelungen und geben dem Buch seine besondere Note.

Fazit

Ein spannender Roman für gepflegte Gänsehautstunden. Unbedingt lesenswert.


15. Mai. 2010 - Petra Hartmann