"Eine facettenreiche Anthologie mit magischen Wintermomenten, die jedem Freund phantastischer Literatur nur ans Herz gelegt werden kann."

Torsten Hirsch, http://feenfeuer.wordpress.com

Alisha Bionda rief und zehn AutorInnen, beheimatet im Genre der Phantastik, folgten, um dem Winter mit Legenden und Mysterien eisiges Leben einzuhauchen. Herausgekommen ist eine facettenreiche Anthologie klirrend kalter Fantasy Erzählungen, verschneiter Abenteuer und frostiger Dunkelheit. Mal spannend und blutig, mal romantisch und verträumt, Ars Litterae 6 beleuchtet die weisse Jahreszeit und füllt sie mit vielfältigen Kurzgeschichten, aus den Federn gestandener AutorInnen. Eine Anthologie, der es wahrlich gelingt die Stimmung von verschneiten Abenden herauszukitzeln und mit einer phantastischen Note zu schmücken.

Andrea Gunschera taucht mit Der Winterfalke in ein schneeumwehtes Nirgendwo ein. Amira, eine tapfere Kämpferin, ist zum Opfer höfischer Schacherein geworden. Kaum hat ihr Vater das Zeitliche gesegnet, wird sie als Braut, von ihrem nun herrschenden Bruder, in den Osten verkauft, um dort für Wohlwollen des Herrschers zu sorgen. Eine ganze Weile schon folgt dem Reisezug ein einsamer Falke und die Männer tuscheln über ein böses Omen. Als Amira ihren Bogen spannt und auf den Falken zielt, ahnt sie noch nicht welche Rolle er einst in ihrem Leben einnehmen wird…
Der Winterfalke ist von seiner Landschaftsbeschreibung, seiner sehr gut eingefangenen frostigen Atmosphäre und der düsteren Stimmung der Figuren die ideale Einstiegsgeschichte für diese Anthologie. Andrea Gunschera versteht es hervorragend sich auf das Winterliche einzulassen und ihre Charaktere entsprechend empfinden zu lassen. Mit dem mysteriösen Flair des bösen Omens und dem Weg von Amira in die Gefangenschaft eines Harems, ist hier eine wirklich düstere Geschichte, auf schneeweissem Grund gelungen. Leider ist neben der toll herausgearbeiteten Atmosphäre, die Grundidee der Geschichte doch sehr simpel gehalten und hinterlässt das deutliche Gefühl, das hier wesentlich mehr möglich gewesen wäre.

Nicolaus Equiamicus muss an dieser Stelle einfach schon mal gelobt werden. Statt sich mit Der dunkle Wald auf eine klassische mittelalterliche Epoche zu stürzen, ist seine Kurzgeschichte im Jahre 1637 angesiedelt. Heinrich und Jakob sind Späher einer versprengten Division, gefangen in einem eisigen Unterschlupf, ohne Reserven und beinahe umstellt von den überzähligen Franzosen. Von Hunger und Verzweiflung geplagt, werden die beiden Späher auf eine aussichtslose Erkundung geschickt. Sie betreten einen dunklen Wald und bald wird ihnen klar, das es in ihm nicht mit rechten Dingen zu geht…
Die weisse Winterlandschaft bei Nicolaus Equiamicus hat rein gar nichts mit der Romantik der verschneite Jahreszeit gemein. Dieser Winter bedeutet für die Männer um Jakob und Heinrich, erfrorene Kameraden, Hunger und die Gewissheit dem Kältetod ausgeliefert zu sein. Die Geschichte entpuppt sich als aussichtsloses Kriegsszenario, dessen Stimmung der Autor hervorragend einfängt und in eine noch grauenvollere Entwicklung zu wandeln weiss. Hier stimmt einfach alles. Ein klirrend kalter Winter, gut gezeichnete Figuren und ein Fantasy Element, das sich absolut passend einfügt.
Eine der besten Geschichten in dieser Anthologie.

Ascan von Bargen nähert sich dem weissen Schrecken von Venedig und weiss durch dieses aussergewöhnliche Setting in La Serenissima ebenso zu begeistern wie Nicolaus Equiamicus. Lucrezia begibt sich 2003 auf eine Reise nach Venedig, um sich dort von ihrer ortsansässigen Freundin Flavia auf einen Maskenball zerren zu lassen, der eine unerwartet erschreckende Wendung nehmen wird…
Der deutsch-italienische Fantasy/Mystery Autor Ascan von Bargen weiss wo von er spricht, wenn er dem Leser Venedig beschreibt. Kaum ist der erste Absatz gelesen, kann man sich dem sonderbaren Bann dieser Stadt nicht mehr entziehen und taucht ein in die schneeumstöberte Stadt, in der Verlockung und Verfall Hand in Hand gehen. Der Autor vermag nicht nur eine magisch-winterliche Atmosphäre zu entzaubern, sondern auch eine sehr durchdachte und sorgsam aufgebaute Geschichte in den Flair eines unwirklichen Abends in Venedig zu legen. Eisige Fantasy pur.

Tanya Carpenter lädt den Leser ein, sich an den Kamin einer kleinen verschneiten Hütte zu begeben und der Geschichte einer Grossmutter zu lauschen, welche die alten Sagen noch nicht vergessen hat. So erzählt sie die Geschichte von den Feenkatzen, welche Freyas Wagen durch den stürmischen Winterhimmel zogen, die Sommer über in den Wäldern balgten und den Männern die Köpfe verdrehten. Bei einer der Feenkatzen ist es jedoch nicht nur beim Kopfverdrehen geblieben und in der Not ihres verliebten Herzens gibt es nur einen der ihr Hilfe verspricht. Loki, der Gott der Unterwelt.
Feenkatzen, eine Kurzgeschichte in der nordischen Mythologie, ist eine wahrlich herzzerreissende Erzählung geworden. Tanya Carpenter überzeugt hier durch das scheue Spiel mit der Romantik und einer verbotenen Liebe, welche ein grosses Unheil heraufbeschwört. Sehr einfühlsam und gekonnt geschrieben. Tanya Carpenter in ihrem Metier, Fantasy, Romantik und Mythologie – aus der Feder dieser Autorin eine perfekte Mischung.

Wolfgang Hohlbein legt mit Die Begegnung die Titelgeschichte für diese Anthologie vor und entführt auf eine Kreuzfahrt mit gar unglücklichen Ereignissen. Karen hatte sich ihr zukünftiges Leben so schön erträumt. An der Seite des charmanten und wohlhabenden Pierre, der bald ihr Mann werden soll. Doch dann findet sich Karen vor ihrer Bordkabine wieder, rausgeschmissen von ihrem cholerischen Verlobten. Auf ihrem wütenden Weg über das Schiff , gerät sie an einen Kerl, der die Situation der Frau offenbar richtig eingeschätzt hat und nicht zögert sie entsprechend auszunutzen…
Wolfgang Hohlbein schreibt hier kurz und knackig, actionreich und mit kurzzeitiger, aber gut inszenierter Spannung. Urban Fantasy in der einsamen, kalten Nacht einer jungen Frau, die sich von der Liebe hat blenden lassen. Gutes Mittelmass das, in seiner Kürze und seinem Tempo durchaus unterhält, aber, gerade aus der Feder des meistgelesenen Fantasy Autors Deutschlands, wie eine Fingerübung wirkt.

Mit Die Winterjagd wendet sich Kryson Autor Bernd Rümmelein dem Vampirismus zu und wer je etwas von diesem Autoren gelesen, weiss das hier auf keine romantisch verklärten Nackenbeisser zu treffen ist. Viktor ist hungrig. Im verschneiten Zwielicht eines Waldes irrt der Vampir umher und wie durch ein Wunder nimmt er eine süssliche Fährte war. Frisches Blut, jungfräulich, voller Angst und auf aussichtsloser Flucht. Fast zu schön um wahr zu sein, fast zu schön um keine Falle zu sein…
Bernd Rümmelein präsentiert hier einen mächtigen und durchtriebenen Bluttrinker, ein Wesen, das diesem Begriff auch gerecht wird. In klirrender Kälte und ausgehungert geht dieses Geschöpf auf die Jagd und der Autor weiss es hier eine wirklich eindrucksvolle Figur zu erschaffen. Eine Geschichte die sich gut aufbaut, nach und nach ihre Geheimnisse enthüllt und sich spannend entwickelt.
Eine der besten Beiträge in dieser Anthologie, voll Kälte, Wahn und Blutdurst.

Alf Leue nimmt den Leser in Torrbjörn und die Rache des Axvalle Tings mit in das winterliche Schweden und an den Hof der reichen und angesehenen Familie Dalsson. Vater Björn hat es zu Wohlstand gebracht, auch wenn er sich auf diesem Weg nicht nur Freunde geschaffen hat. Sein Lebensziel wartet jedoch noch auf Erfüllung. Der Hornborgarsee muss weiter trockengelegt werden, um saftiges Weideland aus seinem Grund zu gewinnen. Und wenn die alte Magd Lillemor mal wieder mit ihren Geschichten von Seegeistern anfängt, kann Björn nur den Kopf schütteln. Bis eines Abends Sonderbares auf dem Hof vor sich geht…
Alf Leue hat hier eine interessante Geschichte entwickelt, die mit Geschäftsinteressen und alten Mythen spielt, bis beide aufeinander prallen. Schön geschrieben, mit Gefühl für die Figuren und der richtigen Dosis mythischer Geistergeschichte. Perfekt für Winterabende, an denen der Wind um die Fenster heult.

Aino Laos begibt sich mit Der Teufelskreis auf ungewöhnliche Wege, auch innerhalb dieser Anthologie. Der Tierarzt Mr Norris wird in später Stunde zu einem dringenden Fall gerufen. Ein mit Preisen überhäufter Collie war wohl erkrankt, so die panische Aussage des Züchters. Im Dunkel des Abends wird die Fahrt zu dem tierischen Patienten zu einer Schlitterpartie und ehe sich Mr Norris versieht, ist er es der Fürsorge benötigt und die engelhafte Stimme seiner Retterin weckt den Tierarzt im Krankenhaus. Doch Engel retten nicht nur, sie binden auch…
Aino Laos hat hier eine wirklich schöne Geschichte entwickelt, die alle Facetten einer unerwarteten Begegnung besitzt. So unspektakulär sie beim Lesen zunächst auch erscheinen mag, die Autorin hat hier wirklich etwas Einmaliges gezaubert. Wenig winterlich, aber dafür romantisch-bedrückend und mit eigenwilliger Magie.

Ein weiteres dunkles Glanzstück von Ars Litterae 6 ist zweifellos Northern Gothic von Andreas Gruber. Jericho Moses Fischer ist Privatdetektiv und wird von Amanda King für einem rätselhaften Fall engagiert. Ihr Vater, ein bekannter Künstler, war urplötzlich und monatelang vom Erdboden verschwunden, um dann in eine Galerie einzubrechen, die seine Werke ausstellt. In jener Nacht zerstörte der Künstler einen Grossteil seiner Gemälde und wenig später folgte der Galerist seinem Beispiel. Was hat die beiden Freunde dazu getrieben die eigenen Bilder zu vernichten? Wo hat sich Amandas Vater so lange herumgetrieben? Und was hat ihn wahnsinnig werden lassen?
Andreas Gruber präsentiert hier eine Detektivgeschichte par excellence. Schaurige Phantastik mit einer bedrückenden Stimmung und Bildern, die an Schauer- und Gruselfilmklassiker erinnern. Eindringlich schildert der Autor den Weg des Detektivs auf den Spuren des Wahns und enthüllt eine bizarre Szenerie düsterer Geheimnisse. Eine detektivische Geschichte, die nicht besser geschrieben hätte sein können und absolut beeindruckt.
Das Juwel dieser Anthologie.

Carola Kickers begibt sich in Das Niemandsland des verschneiten Rumäniens, an den Wohnwagen einer alten Zigeunerin und ihrer Enkelin. Die Seelenlosen in diesem Winter waren früh dran. Die alte Saphira bemerkte dies ebenso, wie ihre treue Enkelin Jana. Die beiden würden aber nicht mehr weit kommen. Die Vorräte waren aufgebraucht, die Kälte war schneidend und die hungrige Wölfe würden sie bald gefunden haben. An diesem Abend offenbart die Alte der Enkelin ihr grosses Geheimnis. Ein Geheimnis vom Sieg der Versuchung und einem verhängnisvollem Dunkel…
Niemandsland ist ein sehr schönes Abschluss für Ars Litterae 6 geworden. Carola Kickers entführt hier noch einmal in weite Winterlandschaften und weckt die Geister jener kalten Jahreszeit. Ein wenig verträumt, ein wenig besinnlich, aber auch schrecklich und finster. Winter-Fantasy, die ihrem Namen gerecht wird.

„Die Begegnung und andere düstere Winterlegenden“ – Zehn AutorInnen geben sich im sechsten Teil der Ars Litterae Reihe den Geheimnissen des Winters hin und enthüllen sie in ganz unterschiedlichen Formen. Überraschend, romantisch, schaurig und spannend – Eine facettenreiche Anthologie mit magischen Wintermomenten, die jedem Freund phantastischer Literatur nur ans Herz gelegt werden kann.