Die Weihnachtsbraut

Florian Hilleberg - LITERRA, RATTUS LIBRI, GEISTERSPIEGEL

Die Bibliothekarin Fiona Rothenstein ist nicht erfreut darüber, dass ihre Tante in ihrem Namen auf die Bekanntschaftsanzeige eines gewissen Maurice Mersenbeck geantwortet hat. Da sie nichts zu verlieren hat, stimmt Fiona einem Treffen zu und ist positiv überrascht. Maurice Mersenbeck wirkt zwar so, als ob er aus einer anderen Zeit stammen würde, ist aber eine unverkennbar attraktive Erscheinung. Entgegen ihrer inneren Überzeugung stimmt sie einem zweiten Treffen, dieses Mal im düsteren Anwesen der Mersenbecks, zu. Darüber hinaus wird Fiona von der Einladung ihres Verehrers mit ihm und seinem Cousin Marcel Weihnachten zu feiern zusätzlich überrascht. Und obwohl sie seit der Bekanntschaft mit diesen sonderbaren Herren beunruhigende Träume plagen, willigt sie auch dieses Mal ein. Denn längst wurde Fionas Neugier geweckt. Die Familie der Mersenbecks umgibt ein dunkles Geheimnis, das eng mit der Leidenschaft von Maurice für Genealogie zusammenhängt. Eine bizarre Degeneration der Familienmitglieder und morbide Gemälde von zyklopenhaften Monstren haben eine natürliche abschreckende Wirkung. Doch Fionas weibliche Intuition versagt, und so nimmt das Verhängnis seinen Lauf ...

Meinung:

Hinter dem harmlosen Titel verbirgt sich eine düstere Horrorgeschichte mit einer fast greifbaren, dichten Atmosphäre. Die Autorin Barbara Büchner, die bereits hinlängliche Erfahrungen mit dem Genre der düsteren Phantastik gesammelt hat, schrieb mit dieser Novelle eine fabelhafte Hommage an H.P. Lovecraft, der von vielen Lesern und Kritikern als Mitbegründer der modernen Horror-Literatur gesehen wird. Anders als der Meister des Grauens, der durch seinen legendären Cthulhu-Mythos unsterblich geworden ist, hat Büchner eine weibliche Figur zur Protagonistin erkoren. Etwas, was bei dem introvertierten, schüchternen Lovecraft undenkbar gewesen wäre. Mit den männlichen Hauptakteuren Lovecrafts gemein, hat Fiona Rothenstein jedoch die investigative Neugier, gepaart mit einer gewissen naiven Furchtlosigkeit, die sie letztendlich auch in die Bredouille reitet – zur Freude des Lesers selbstverständlich. Dabei ist Fiona eine sehr sympathische und natürliche Heldin, die glücklicherweise sämtliche trivialen Stereotypen der weiblichen Charakterisierung vermissen lässt. Ein langweiliger Beruf, mittelmäßiges Aussehen und über vier Jahrzehnte Lebenserfahrung qualifizieren Fiona zwar nicht für „Germanys next Topmodel“, dafür aber für die Herzen der Leser, so dass man unweigerlich mit der Heldin mitfiebert. Äußerst spannend und informativ sind vor allen Dingen die Recherchen in Hinsicht auf das Geschlecht der Mersenbecks und das Phänomen der Siblinge. Dadurch werden geschickt Elemente des Detektivromans mit denen der Horrorgeschichte verknüpft. Obwohl die Autorin sich einer klaren, gut verständlichen Sprache bedient, ist das Buch nicht immer leicht zu konsumieren. Fionas Träume und Visionen, sowie ein Finale, das Leser und Protagonisten wie im Drogenrausch erleben setzt einen gewissen Anspruch voraus. „Die Weihnachtsbraut“ ist kein blutiger, plakativer Horror, sondern eine subtile, unheimliche Schauergeschichte, ideal für lange Winterabende. Ein weiteres beeindruckendes Zeugnis für die Vielfältigkeit und Qualität der Reihe.

Aufmachung:

Veredelt wird der Band durch die stimmungsvollen und kunstfertigen Innenillustrationen von Mark Freier, der auch das schaurigschöne, morbide Titelbild entworfen hat. Besser hätte man die Stimmung des Romans nicht einfangen können. Papierqualität und Satzspiegel sind von herausragender Güte.

Fazit:

Düster-bizarrer Horror-Trip auf den Spuren Lovecrafts. Eine anspruchsvolle Novelle abseits des blutigen Slasher- und Splatter-Mainstreams.