Peter Schünemann - Solar X

Blutopfer

Peter Schünemann - Solar X

Schnell folgte auf den dritten der vierte Band der Abenteuer um die Vampirin Dilara, diesmal eine Gemeinschaftsarbeit zweier mittlerweile in der Szene sehr gut bekannter Autoren, illustriert wiederum in bewährter Weise von Pat Hachfeld.

Alisha Bionda widmete das Buch Marc-Alastor E.-E., mit Dank dafür, dass er der Serie wesentlichen „Atem“ eingehaucht hat. Warum dies so ist, wird beim Lesen schnell klar, beziehen sich Verfasserin und Verfasser doch oft auf Ideen, die im dritten Band auftauchten – das Wesen der Vampire als Kinder der fünften Sonne, die Verbindung zu den Azteken, das Lichtwesen Methalumina, Dilaras Diener Cippico ...

Sie weben diese Motive in den Stoff ein, den Alisha Bionda in Band 2 begann: Hier geht es nun wieder um London im Jahre 2005, um den blutgierigen Wiedergänger, zu dem Roderick Herrington geworden ist, um den Kampf gegen Antediluvian und vor allem um Dilaras Versuche, sich ihrer Identität bewusster zu werden. Auf diesem Weg kommt sie einen großen Schritt vorwärts – nicht eigentlich deshalb, weil sie endlich die Schattenchronik in ihren Besitz bringen kann, sondern weil alte, bisher von Antediluvian blockierte Erinnerungen zurückkehren.
Diese spielen auf zwei maßgeblichen Zeitebenen: in Aztlan, der mysteriösen Herkunftsstadt der Azteken, im Jahre 1569, und in eben jenem Aztlan über dreihundert Jahre später, 1891 – zu diesem Haupt-Handlungsstrang der Vergangenheit gesellen sich auch kurze London-Episoden, die schildern, wie Dilara die Bekanntschaft des Archäologen Roger Gallet macht, den sie dann auf seiner Expedition nach Aztlan begleitet. Wir erhalten auch einige Einblicke in Dilaras Kindheit und erleben den Epilog ihrer Beziehung zu Gallet mit. Maßgeblich aber bleiben die Geschichten der Jahre 1891 und 2005.

Vor allem die erstere ist sehr dicht und spannend geschrieben, mit viel Kenntnis der aztekischen Mythologie. Sie bietet mit Gallet auch eine neue Figur, die für einen Band in den Vordergrund tritt, um dann wieder – wie Gelophee Roche und Cippico in Band 3 – zu verschwinden, nur ab und zu noch in Erwähnungen und Erinnerungen auftauchend; die nichtsdestotrotz jedoch einprägsam und lebendig gestaltet wird.
Die zweite Geschichte steht der ersten an Spannung nicht nach; ihr Vorteil ist, dass sie einige Handlungsstränge und Figuren an ihr Ende führt, zugleich aber neue Rätsel – allen voran das um Dilaras Gefährten Calvin! – aufgibt und mit der Mondgöttin Coyolxa eine neue Antagonistin Dilaras im Spiel hält (ins Spiel gebracht hat sie bereits die Aztlan-Handlung). Ein wenig nachteilig empfand ich beim Lesen das bisweilen allzu Episodenhafte und Schnelle der Darstellung dieses Teils. Einerseits finde ich es sehr gut, nicht so lange auf der Konstellation Dilara-Antediluvian zu beharren, bis diese „ausgelutscht“ ist; insofern kann man mit dem Ende der Geschichte zufrieden und auf die neuen Herausforderungen gespannt sein. Andererseits aber fällt ein Unterschied zwischen beiden Teilen doch ins Auge: Wo die Aztlan-Erzählung das Geschehen eines Tages (oder nur von wenig mehr) episch breit und malerisch schildert, wirken die Absätze der London-Handlung bisweilen sehr „zeitgerafft“ und hastig. Dabei bleibt vor allem die doch immens wichtige Figur Guardians recht blass; doch natürlich bieten die Folgebände genügend Raum, diesem Mangel abzuhelfen.

Sehr gelungen erscheinen mir jedenfalls das große Finale, das in London 2005 stattfindet, sowie die Verbindung der beiden Hauptstränge, die an einem Sarkophag im British Museum „festgemacht“ wird. Alles in allem lässt sich sagen, dass Autorin und Autor es geschafft haben, zusammen etwas Handfestes und Spannendes zu schreiben, das nicht unter großen Brüchen leidet und den Leser fesselt.
Da Band 5 erneut eine Gemeinschaftsarbeit von Bionda und Kleudgen ist und wesentliche der hier neu eingeführten Themen entwickeln wird, darf man mit Fug und Recht gespannt sein, muss sich aber – entspricht die Verlagsankündigung am Ende des Buches den Tatsachen – noch bis Mai 2005 gedulden. Leider.