Peter Schünemann - Solar X

Kuss der Verdammnis

Peter Schünemann - Solar X

Alisha Bionda, eine der beiden Herausgeber von "Der ewig dunkle Traum" (Schattenchronik 1), beginnt mit diesem Roman die Serie um die Geschichte der Vampirin Dilara, die Wolfgang Hohlbein in "SC1" mit einem Appetizer gestartet hatte. Gleich vorweg: Sie endet hier nicht, die nächsten Bände (Nr. 3 von Marc-Alastor E.-E. / Nr. 4 von Alisha Bionda & Jörg Kleudgen) sind schon in Vorbereitung. Insofern wird mensch sich bezüglich des Schlusses (wohl noch eine Weile) gedulden müssen.

Was passiert?
Hohlbein endete bei Dilaras Verhaftung wegen Mordes an Charles, ihrem reichen Verehrer; dabei spielten der uralte Nosferatu Antediluvian, Vater des Nosferati-Geschlechts, und die geheimnisvolle Schattenchronik eine undurchsichtige Rolle. Das Buch, in dem sich auch die Abbildung einer "früheren" Dilara befand, ist verschwunden. Die junge Frau, auch noch als Hexe angeklagt, kann ihre Unschuld nicht beweisen und wird aufgehängt, aber nicht vor großem Publikum, sondern in aller Stille - so kann Antediluvian sie retten und zu einem seiner "Kinder" machen, per "Kuß der Verdammnis". Dies alles erleben wir in Rückblenden; die eigentliche Handlung spielt 2005, jedoch beeinflusst die Vergangenheit natürlich das Gegenwärtige. Im Heute lässt Dilara der Gedanke an das Buch keine Ruhe. Sie will es wiederfinden, denn sie ahnt, dass es ihr mehr über sie selbst und ihre Kräfte verraten kann. In den letzten 400 Jahren wurde sie mächtig, aber auch selbstbewusst; sie kennt Antediluvians Pläne, weiß, dass sie sein Werkzeug sein soll, hat auf diesen Part jedoch überhaupt keine Lust. Wie in anderen Büchern und Geschichten Biondas steht also auch hier eine starke Frau im Mittelpunkt, die sich aus patriarchalischen Beziehungen befreit, ohne dabei die Männer an sich zu verteufeln.
Im Gegenteil!
(Hetero-)Sexualität und Partnerschaft sind Dilara sehr wichtig. Gar nicht zur Debatte steht in diesem Buch ein "Vampire haben keine Seele"-Konzept; die Hauptfigur wirkt sehr beseelt und leidenschaftlich, ohne allerdings pur "gut" zu sein, was auch wieder langweilig wäre. Sie folgt ihren eigenen moralischen Vorstellungen (nicht, dass sie keine hätte, aber sie gleichen natürlich nicht aufs Haar den tradierten christlichen!), doch im Vergleich zu Antediluvian wirkt sie, nun ja, wie die positive Heldin.

Was das ganze Buch zusätzlich würzt, ist ein dritter Handlungsstrang um den wohlhabenden Roderick Herrington, der in einer Galerie vom Bild einer Frau fasziniert ist - und vom Original, das er eines Tages davor sitzen sieht. Schnell vermutet er, so viel Ähnlichkeit könne kein Zufall sein; der Gedanke, das Modell selbst vor sich zu haben, erscheint ihm nicht allzu ungewöhnlich. Seine Obsession ist zuerst nur, die Unbekannte wiederzufinden; aber nach und nach meldet sich noch etwas anderes in ihm, denn wie Dilara ein früheres Ich besitzt, so auch er.

Sehr geschickt gemacht, wie die Autorin den routinierten Leser lange auf einer falschen Fährte lässt; man glaubt Rodericks und Dilaras weitere Geschichte zu kennen, doch dann kommt alles ein wenig anders ...

Obwohl: Wer weiß, was die folgenden Autor/inn/en noch daraus machen?
Ich jedenfalls bin sehr gespannt auf die Fortsetzungen. Der Kampf hat gerade erst begonnen!