Nancy Leyda - Gothic Paradise

Rattenfänger - mit der Story

Nancy Leyda - Gothic Paradise

Die Ratte ist eines jener Tiere, welche mit zahlreichen symbolischen Bedeutungen behaftet sind. In Asien wird die Ratte als glücksbringendes Tier verehrt, in China und Sibirien gilt ihr Fehlen in Haus und Hof sogar als Unheil bringend. In unserem Kulturkreis hingegen ist die Ratte als Symbol-Tier meist negativ besetzt. So wird sie als Krankheiten bringendes Tier oft mit Ekel und Abscheu belegt, gilt als Tier von Hexen und mit dem Teufel im Bunde.
Jedoch legen auch bei uns Aussprüche wie „Die Ratten verlassen das sinkende Schiff!“ Zeugnis davon ab, dass man dem Tier eine Nase für nahende Katastrophen und damit auch ein hohes Maß an Intelligenz unterstellt.
Und noch etwas macht die Ratte besonders, vor allem in Deutschland. Es gibt wohl kaum jemanden der sie nicht kennt, die Sage des Rattenfängers von Hameln. Im Jahre 1284 soll sich in der Stadt Hameln ein unheimlicher Mann mit dem Versprechen eingefunden haben, die Stadt für einen entsprechenden Lohn von der dort herrschenden Rattenplage zu befreien. Als ihm nach erfolgreicher Arbeit der versprochene Lohn vorenthalten wurde, lockte er eine Kinderschar mit seinem Flötenspiel aus der Stadt und verschwand auf Ewig mit ihnen.
In der Anthologie "Rattenfänger" aus der "Magic Edition" des BLITZ Verlages, herausgegeben von Bernd Rothe (ein Hamelner übrigens), widmen sich achtzehn Autoren ihrer ganz eigenen Interpretation dieser Sage, verarbeiten soeben genannte symbolische Besetzungen des Tieres und spannen dabei wie nebenbei durch ihre Novellen zugleich einen Bogen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Auf der einen Seite charakteristische Merkmale der Sage aufgreifend, wie dem Flötenspiel oder den spitzen Nagezähnchen, bekommen die Geschichten durch die je eigene Interpretation, den eigenen Schreibstil und die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Autoren jeweils immer eine ganz eigene Note.
Die ersten Geschichten spielen zu vergangenen Zeiten und lassen den Leser in bereits fremd gewordene Lebenswelten und Gesellschaftsordnungen eintauchen. Wie "Schattenschläger" von Stefanie Bense,in der man nicht nur die Geschichte Spielmannes Hans erfährt, sondern gleichzeitig auch sehr viel über die Ständeordnung des Mittelalters, seine Städte und das Leben ihrer Bewohner.
In "Mephisto" gibt Alisha Bionda ihrer Geschichte eine kraftvoll erotische Note und lässt gekonnt Elemente aus Goethes Lebenswerk "Faust" mit einfließen.
Der Autor Marc-Alastor E.-E., den manche von euch sicher auch noch von der Dark-Metal Band "Spectre Dragon" kennen, verarbeitet in seiner Geschichte "Nicht Ohne Wut, Sei Vom Lamm Das Blut" vampireske Elemente. Er greift zudem die Erzählung aus der Geschichte um den Rattenfänger von Hameln auf, nachdem zwei Kinder diesem entkommen konnten, wovon jedoch eines blind, dass andere taub war und die Kinder so keine Auskunft über seinen Verbleib zu geben im Stande waren.
"Das Rattenmädchen" von Monique Lhoir erzählt von einer Freundschaft zwischen einem Mädchen und einer Ratte bevor man mit Geschichten wie "Der Verlorene" von Armin Rößler und "Niederfrequenzmanipulation Oder Des Großen Rattenfänger Trick" von Christian Von Aster in Science Fiction Welten eintaucht. Diese können auf einem anderen Planeten spielen woraus sich eine interessante Erzählperspektive ergibt oder die Zwänge des Kapitalismus mit der Idee des Rattenfängers verweben.

Wunderschön illustriert ist diese Anthologie mit Zeichnungen des Künstlers Patrick Hachfeld (–unbedingt mal vorbeischauen!). Zudem findet ihr in den Anhängen Informationen zu den Autoren und zu der Sage des Rattenfängers von Hameln.

Eine einzigartige Anthologie die ganz neue Facetten der traditionellen Sage entdecken lässt und durch die individuelle Erzählkunst der einzelnen Autoren vielseitige ‚Rattenwelten’ entstehen lässt, die für den Leser so einiges an Überraschungen bereithalten. Und manchmal ist es einem wirklich, als würde einem beim Lesen das ein oder andere Rattenäuglein über die Schulter schauen.