Leseprobe: Männertraum

Jojo haut es fast aus den Dockers, als er mir die Tür öffnet und mich sieht. Er erstarrt von einer Sekunde auf die andere.
„Was hast du denn gemacht?”, fragt er entgeistert und greift in mein langes Haar. „Wie konntest du nur?”
Vorwurfsvoller geht es nicht mehr.
Mein Gott, macht er ein Aufheben um meine blondierte Mähne. Dabei steht er mir selber mit blaugefärbter Haartolle gegenüber. Er starrt mich immer noch an, reißt sich dann aber zusammen und bittet mich in seine Räuberhöhle. Wie immer sieht es dort chaotisch aus. Aber daran habe ich mich längst gewöhnt. Ich fege ein paar Norwegersocken von einem Sessel und setze mich. Zupfe an meinem neu gestylten Männertraum-Haar herum.
Jojo schlurft herein.
Zwei Kaffeebecher in Händen.
Das Gebräu schmeckt wie lauwarmes Spülwasser.
„Du siehst grauenvoll aus.” Politiker kann Jojo auf keinen Fall werden. So viel steht fest. „Kannst du mir mal verraten, warum du dich so verunstaltet hast?”, meckert er weiter.
Ich quassle los wie eine Schwachsinnige. Von Claudia Schiffer. Marilyn Monroe. Kim Basinger. Madonna. All jenen Frauen, die blondiert richtigen Erfolg hatten. Richtig Gas gegeben haben. Dass ich bei meinen Lesungen jetzt sicher besser ankäme. Natürlich alles leere Worte, an die ich selber nicht glaube.
Jojos Augen werden rund wie Frisbeescheiben. Dann wirft er in gespielter Verzweiflung die Hände hoch. „Was mache ich nur mit dieser Frau?” Er sieht mich übertrieben ernst an. „Du redest wirres Zeug. Hast du etwa schon wieder am Nagellackentferner geschnüffelt?”
Ich versetze ihm einen Boxhieb, bei dem selbst Mike Tyson blass geworden wäre. Wenn Jojo eines weiß, dann ist es, dass ich Drogen strikt ablehne.
Wir gehen in ein Pub. Trinken dort endlich einen Kaffee, der den Namen auch verdient. Und Jojo brüllt förmlich heraus, warum ich plötzlich Pamela Anderson Konkurrenz mache. Zumindest was die Haarfarbe angeht. Verrät lautstark, dass ich jetzt ein Männertraum sein möchte.
„Noch ein bisschen lauter. Die Eskimos am Nordpol hören dich noch nicht”, weise ich ihn mit essigsaurer Tonerdemiene zurecht. Schließlich müssen ja nicht alle mitbekommen, dass ich mir aus angekratztem Ego tonnenweise Blondiercreme auf den Schädel geschmiert habe. Richtig begeistert bin ich von dem Ergebnis auch nicht. Aber das muss ich ja nicht laut werden lassen.
„Rührt dein Sinneswandel in Puncto Haarfarbe vielleicht daher, dass Michael jetzt mit einer Blondine zusammen ist?”
Ich glaube nicht recht zu hören!
Ja gut, ich habe ihn mit dieser blonden Wahnsinnsfrau gesehen. Er hat sie mir sogar vorgestellt. Aber sofort, als sie den Mund aufmachte, wusste ich: Sie ist nicht übermäßig mit kleinen grauen Zellen gesegnet und versprüht nicht gerade tiefschürfende Weisheiten. Außerdem trägt sie pfannkuchendickes Make-up. So dick, dass ich damit die Wände meines Hauses streichen könnte.
„Die ist doch keine Konkurrenz für dich”, behauptet Jojo. Ich höre es gerne, glaube ihm aber nicht. „Die ist doch tortillaflach ... während du ...” Er verstummt und linst verschämt in meinen Ausschnitt, “... gut gesegnet bist.”
Das versöhnt mich wieder.