Leseprobe: Aus der Novelle NOTHERN GOTHIC von Andreas Gruber

10. Kapitel: Helen Miller

Wenige Stunden später fuhr ich aus dem Schlaf hoch. Mir war übel. Der vom Nebel teils verdeckte Halbmond schien durchs Fenster. Instinktiv zog ich die Decke bis zum Kinn. Im Raum hatte es gewiss nicht mehr als acht oder neun Grad.
Weshalb war ich wach geworden?
Ich lauschte.
Da war es wieder!
Die Stufen im Treppenhaus knarrten. Jemand kam in das obere Stockwerk. Ich hörte Schritte über den Flur wandern, die unmittelbar vor meiner Tür hielten.
Jemand legte die Hand auf die Klinke. Die Tür war nicht abgesperrt – sie besaß ja nicht einmal ein Schloss. Knarrend schob sie sich nach innen auf. Ein matter Lichtschein vom Flur fiel ins Zimmer.
Jetzt wurde es interessant!
Ich stellte mich schlafend, tastete mit der von der Türseite abgewandten Hand unter die Matratze und umklammerte den Griff des Armeerevolvers.
Unter den Lidern blinzelte ich hervor und sah, wie sich eine hagere Silhouette ins Zimmer schob. Kurz bevor die Gestalt die Tür hinter sich schloss, sah ich wie das Licht vom Flur durch das dünne Negligé schimmerte. Darunter zeichnete sich Helen Millers dürre Figur ab. Ich ließ den Revolvergriff los. Was wollte die Alte von mir? Hatte sie etwas missverstanden?
Im nächsten Moment wurde es wieder dunkel im Raum, und ich spürte, wie sie sich an meine Bettkante setzte und die Beine überschlug.
„Geben Sie sich keine Mühe“, flüsterte sie mit knarrender Stimme. „Ich weiß, dass Sie wach sind.“
„Ich …“
Sie legte ihren Zeigefinger auf meine Lippen.
„Sag nichts, mein Schatz.“
Ich wollte mich aufsetzten, doch zuvor schob sich ihre Hand unter die Decke und strich über meine Lenden.
Aus Gewohnheit schlief ich nackt – aber das schien sie nicht zu stören.
Sie packte mein Glied und begann es mit ihrer knöchernen Hand zu massieren, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht. Obwohl Helen so abstoßend alt und ausgemergelt war, konnte ich nicht verhindern, dass mein Glied steif wurde.
Sie lächelte zahnlos. Im nächsten Augenblick beugte sie sich nach vorne und presste ihre faltigen Lippen auf meine. Ihre Zunge drang tief in meinen Mund und erforschte jeden Winkel. An liebsten hätte ich sie angewidert von mir gestoßen, doch auf eine perfide Art und Weise wollte ich nicht, dass sie ihre Handbewegungen unterbrach.
Schließlich küsste sie meine Wangen und saugte an meinem Ohrläppchen.
„Ich hatte seit über zehn Jahren keinen Mann mehr – und du erregst mich so sehr“, hauchte sie.
Mit der freien Hand zog sie die Decke von mir, beugte sich erneut herunter und leckte über meine Brustwarzen. Ungewollt entrang sich ein leises Stöhnen meiner Kehle. Als sie es hörte, kletterte sie aufs Bett, spreizte ihre Beine und setzte sich auf mich. Dabei kitzelte ihre Schambehaarung meinen Bauch.
„Ich bin so feucht wie der Fluss“, flüsterte sie mir ins Ohr.
Sie nahm mein Glied und führte es in sich ein. Ihre Hüften bewegten sich rhythmisch, wobei sie wie eine verwelkte Seerose auf dem Wasser schlingerte. Dabei stieß sie ein lustvolles Stöhnen aus, krallte ihre Fingernägel in meine Brust und ritt immer wilder auf mir. Sie war tatsächlich so feucht wie der Fluss, der dieses Waldgebiet durchquerte. Binnen weniger Sekunden quietschen die Bettfedern in einem vor Lust rasendem Rausch.
„Was ist mit Carl?“
„Sei still!“
Schon bald merkte ich, wie ich unbewusst mein Becken hob und senkte, um immer fester und tiefer in sie hineinzustoßen. Schließlich nahm sie meine Hand, führte sie zur Spalte ihrer Pobacken und zwängte meinen Mittelfinger in ihren Anus. Als ich ihre faltige Haut umklammerte, schrie sie auf und streckte ihren Rücken durch.
Ihr graues, offenes Haar wirbelte herum. Da riss sie für einen Moment die Augen auf und ich sah ihre gelben katzengleichen Pupillen.
Schreiend fuhr ich hoch.
Meine Brust war von kaltem Schweiß gebadet.
Ich ejakulierte in die Decke und auf das Bettlaken.
Ich sah mich um.
Der Raum war leer.
Von Helen fehlte jede Spur.
Mein Herz raste. Was für ein Irrsinn!
Erschöpft fiel ich zurück ins schweißnasse Laken.

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