Das Reich der Katzen
Marlies Eifert
Gruppendynamisches auf dem Weg ins Reich der Katzen
Man spürt deutlich, wie die Kids - große und kleine- den Atem anhalten, wenn die Katzengesellschaft, mit der sie bereits seit einiger Zeit gebangt haben, nun, auf die Empfehlung eines Baumschamanen im Totenreich, einen Gang betreten, der auf dem Friedhof eines Klosters enden soll. Die Rattenarmee dicht auf den Fersen. Da laufen sie nun hintereinander: Ben, der Anführer, an der Spitze, sein Freund Rouven, der verletzte Kater, auf den alle Rücksicht nehmen müssen, Corey, ein stolzer Siam, die hübsche Schildplattkatze Twinky, Fleur, Onisha und Rocky.. Sie wissen: da müssen sie nun durch, denn der Rückweg ist ihnen versperrt. Trotz allem, es gibt in dem dunklen Gang auch Lichtblicke: Kater Ben zeigt sich blendend gelaunt, weil er gerade ein Schäferstündchen mit Onisha hatte. Onisha, die Lady der Gesellschaft, Ben, der Rowdy mit bernsteinfarbenen Augen. Onisha pflegt sich, vornehm auszudrücken. Was aber nicht verhindert, dass sie schon mal albern kichern kann. Bei dem besagten Schäferstündchen schnurrt sie wie eine Nähmaschine! Autoritär wird die Katzengruppe nicht geführt, wenn auch alle Ben als den Chef anerkennen. Innerhalb der Gruppe gibt es vereinzelt engere Beziehungen, so zwischen den Protagonisten Fleur und Onisha, die nach anfänglichen Reibereien ein telepathisches Band verbindet. Onisha hat eine Sonderrolle, was sich u. a. darin zeigt, dass sie den lapis philosophorum, den Stein der Weisen, um den Hals trägt. Halbwegs gegen ihren Willen, denn sie hat eigentlich keinen Ehrgeiz. Nach und nach wachsen Fleur und Onisha in ihre Rolle als Nachfolgerinnen der Katzengöttinnen Bastet und Sachmet hinein. Durch Träume, Inschriften und Fresken in Gräbern erhalten sie Hinweise auf den Weg in das Reich der Katzen, irgendwo in Ägypten angesiedelt.. Aber ebenso wie Brendan in *Der Fürst der Finsternis* können sie ihr Ziel nicht ohne die Hilfe ihrer (Katzen-) Freundinnen erreichen. Es gibt Feinde, Lavina z.B., die alles tut, um das Ziel der beiden zu verhindern. Aber es gibt auch, neben der Ben-Katzengruppe starke und wissende Freunde, so einer der Mönche des Klosters, die in der Gestalt als schwarze Kater das ewige Leben haben. Dieser Kater kennt, bedingt durch das lange Leben die tieferen Zusammenhänge, die die Gruppe nach und nach erfährt. Für die Luftaufklärung sorgen Krähen. Darüber, WIE Onisha und ihre Begleitung nun das Reich der Katzen, erreichen, wie sie mit den vielen Abenteuern fertig werden, soll nichts verraten werden. Möglich, dass der ein- oder andere jugendliche Leser sich nun nach der Lektüre für die altägyptischen Verhältnisse interessiert, dass er mehr wissen möchte über die Katzengöttinnen oder über Osiris, den Gott der Unterwelt. In der ägyptischen Mythologie sind Mischwesen aus Mensch und Tier keine Seltenheit- auch bei Onisha, Fleur und allen anderen weiß man nicht, wo das Katzenwesen aufhört und der "Mensch” anfängt.
Bekanntlich sind Katzen keine Rudeltiere. Auch in der Ben- Gruppe haben sich Individuen zusammengefunden. Die eigene Katzenpersönlichkeit aufzugeben ist nicht angesagt. Aber man kommt miteinander aus, verliert das Ziel nicht aus den Augen, nimmt sogar auf Verletzte Rücksicht, akzeptiert die Andersartigkeit der anderen. Ein Modell auch für menschliche Gemeinschaften? So erfährt der Jugendliche das ein- oder andere Wesentliche über Katzen und Menschen ganz nebenbei. Und das alles passiert, ohne dass er sich beim Lesen auch nur eine Sekunde langweilt.