Regenbogen-Welt

Peter Schüneman – SOLAR X

Es wird einmal sein – in einer fernen Zukunft.
Oder es war schon einmal und wird wiederkehren ...
Die Menschen haben die Erde verwüstet, doch über dem zerstörten Planeten existieren noch die fünf Ebenen der Regenbogen-Welt. Auf der ersten Ebene, in der ersten Welt, wird Saha geboren, eine ebenso mutige wie wissbegierige Gottesanbeterin. Vor allem das Volk der Insekten hat das Große Sterben überlebt, aber es gibt auch noch andere Tiere: Hazee, das Eichhörnchen; Kasur, die Schlange; Uhura, die Eule; Jabani, die Fledermaus. Dazu kommen noch die Königs-Libelle Ishtar, Sahas Liebster; die Riesen-Ameise Shirkan, ihr väterlicher Freund; das Schmetterlingsmädchen Barb, Sahas beste Freundin, fast eine Schwester; und der kleine Käfer Tuc, der Letzte seines Volkes. Gemeinsam machen sich diese neun auf den Weg, um in die fünfte Welt zu gelangen, so etwas wie das Paradies; Saha jedenfalls sind alle anderen Orte lieber als die erste Ebene, die sie nur allzu gut kennt. Aber aus dem anfangs fast spielerischen Plan wird eine Mission, denn es gilt, die zerstörte Erde neu zu besiedeln; und aus dem spannenden Unternehmen wird eine lange Reise voller Gefahren und Strapazen. Doch treffen die Unzertrennlichen auf ihren Wegen auch viele neue Freunde, die sich ihrem Zug anschließen: weil sie allein sind, weil sie neugierig sind, oder aus Liebe ... Und alle haben Eigenschaften oder Wissen, die zum Gelingen der Fahrt beitragen.
Die Geschichte entstand auf der Grundlage von Mythen der Navajo-Indianer und anderer Stämme. Sie gibt schon von der Anlage her eine Steilvorlage für ein interessantes, spannendes Buch.
Die Freunde werden in viele Abenteuer verwickelt; Alisha Biondas Erfindungsreichtum kennt dabei kaum Grenzen.
Gefährliche Wasserwesen und seelenverschlingende Totempfähle, erzürnte Götter, eine untergegangene Stadt von Menschen-Drachen-Hybriden und eine Unterwasserwelt in einer Muschel präsentiert sie uns ebenso, wie sie in dieser Geschichte die Epochen aufeinandertreffen lässt: die Reisenden geraten in Kämpfe mit einem Clan der Clovis-Jäger, erleben in einer Vision die Eroberung des Aztekenreiches und finden die HOPE, eine abgestürzte Raumstation der alten menschlichen Rasse.
Diese und andere Episoden nutzt die Autorin auch dafür, die Botschaft des Buches anschaulich zu illustrieren: Die Menschen haben die Welt vernichtet, denn sie erhoben sich über alle anderen Rassen und zerstörten das Gleichgewicht der Natur; wenn die zweite Chance, die diesem Geschlecht durch die Reise der Freunde gewährt wird, genutzt werden soll, darf man die Fehler der Vergangenheit nicht erneut machen. Daher geht es auf dieser Queste immer wieder um Verstehen und Harmonie: Nur wenn die Rassen wirklich miteinander in Frieden und gleichberechtigt leben und wenn sie die Natur als Partner begreifen, nicht bloß als Rohstoffquelle, wird die Geschichte sich nicht wiederholen. Es ist also auch eine Reise des Lernens und der Verwandlung, nicht allein der äußerlichen, sondern auch der inneren. Am besten lässt sich dies an den Hauptfiguren Saha und Barb erkennen, die von verspielten, einfach nur unternehmungslustigen Geschöpfen zu wissenden Frauen werden, welche nichts von ihrer Liebe und Liebeswürdigkeit verlieren, aber an Reife gewinnen. (Mit der Figur des Schmetterlings-mädchens Barb hat Alisha Bionda ihrer Seelenverwandten, der Künstlerin Barbara Emek, ein literarisches Denkmal gesetzt; Barbara Emeks Planetenbilder regten das Buch an, und sie schuf auch die schönen Kapitelvignetten.)

Bei allem Ernst jedoch: Der Humor kommt hier nicht zu kurz, dafür sorgen die vor Leben nur so sprühenden Protagonisten, allen voran wieder die beiden unzertrennlichen Freundinnen. Insgesamt ist so ein optimistisches, verträumtes, märchenhaftes Buch entstanden – von dem ich mir gut vorstellen kann, dass Erwachsene daran ebenso ihre Freude haben werden wie Kinder ... Am besten, die einen lesen es den anderen vor – oder auch umgekehrt.