Der dünne Mann – und andere düstere Novellen
Jörg Kleudgen - GOTHIC
Eine Reihe bekannter Namen hat Herausgeberin Alisha Bionda für ihre Anthologie „Der dünne Mann“ gewinnen können, allen voran Wolfgang Hohlbein, dessen exklusive Erzählung auch eine der längsten in diesem achten Band der Reihe „Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek“ ist.
Aber auch Christoph Marzi, Michael Siefener und Christian von Aster, um nur einige zu nennen, haben in den letzten Jahren ihren Ruf auf dem Gebiet phantastischer Literatur beständig ausbauen können.
Diese Tatsache und die grandiosen Innenillustrationen Mark Freiers lassen eine anspruchsvolle Sammlung poesker Geschichten erwarten. Und diese Erwartung des Lesers wird kaum enttäuscht. „Der dünne Mann“ erweist sich als faszinierendes Wechselspiel der vielen möglichen Facetten, die moderne Autoren in E. A. Poes Werk zu erkennen glauben.
Wolfgang Hohlbeins Titelgeschichte erweckt erfreulicherweise nicht den Eindruck, daß es sich um eine lediglich zweitklassige Arbeit handelt, die keinen anderen Veröffentlichungsrahmen gefunden hätte.
Es finden sich neben dieser weitere düster-atmosphärische Texte wie Eddie M. Angerhubers „Nepenthe“, Mark Freiers „Kleine Nachtgeschichte“ oder Christoph Marzis „Die Raben“ neben verstörenden, stilistisch vom Vorbild losgelösten Grotesken wie Micha Wischniewskis an Kafka erinnernde „Die Firma“. Alisha Bionda hat sich nicht gescheut, auch experimentellere Texte wie etwa Dominik Irtenkaufs bizarre Erzählung „Sündflut“ oder Barbara Büchners „Spinnwebschleier“ in ihre Sammlung aufzunehmen.
Das tut dem Buch gut, auch wenn dieser Zug durchaus Irritationen beim Leser hervorrufen mag.
Noch einmal aufgewertet wird „Der dünne Mann“ durch ein Vorwort Franz Rottensteiners, ehemaliger Redakteur der legendären „Phantastischen Bibliothek“ des Suhrkamp-Verlages, und Micha Wischniewskis kurzweilig aufbereitete biografische Notizen zum Leben E. A. Poes.
Im Rahmen der Poe-Reihe, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, neben vergessenen Schätzen der Phantastischen Literatur immer wieder auch jungen Talenten einen professionellen Rahmen für ihre Veröffentlichungen zu bieten, stellt „Der dünne Mann“ eine gelungene Bestandaufnahme dar.