Marlies Eifert - Buchrezicenter.de

"Seelenpfand" von Alisha Bionda in "Der ewig dunkle Traum"

Marlies Eifert - Buchrezicenter.de

Überlegungen zu ‚Seelenpfand‘ Alisha Bionda
Lebensreise, Hafen, immer wieder werden diese Metaphern zur Beschreibung intensiver Liebesbeziehungen gebraucht. Nach einer Lebensreise fährt man in den Hafen ein.
In ‚Zwei Segel‘ von Conrad Ferdinand Meyer symbolisieren die beiden Segel ein Paar, das sich ergänzt. „Wie eins in den Winden sich wölbt und bewegt/ wird auch das Empfinden des andern erregt.“
Eine solche Liebe endet nicht ‚ auf den Klippen des Meeres‘, von denen sich einer der Partner hinabstürzt. (Zitat aus ‚Seelenpfand).

Alisha Bionda schildert im Perspektivwechsel zwei leidenschaftlich Liebende, bei denen anders als bei Conrad Ferdinand Meyer das Leid überwiegt, auch wenn der Sturz ins Meer nicht real erfolgt. Eine Vampir-Liebe sozusagen. Gemeinsam ist den beiden Liebenden nicht das Handeln, das sensible aufeinander reagieren, gemeinsam ist die Erkenntnis des Sich-gegenseitig ‚Aussaugens‘ nach Vampirart.
Der eine nimmt dem anderen sozusagen die Lebenskraft.
„Sie wußten nicht mehr, wann ihnen zum ersten Mal bewußt wurde, daß sie sich aussaugten, sich ihrer Energie bedienten.“(S.65)
Bei Alisha Bionda fehlt der Biß in die Halsschlagader des anderen; das ‚Aussaugen‘ erfolgt auf subtilere Art. Beide Liebende haben allerdings das Gefühl des Ausgeliefert – Seins. Sie sehen sich als Marionette des anderen. Beide haben Fluchtgedanken.

Fast hat man den Eindruck , daß die Autorin dieser Geschichte etwas Lebendiges eingehaucht hat.
Die Liebenden leben wirklich, sind also nicht halbtot oder scheinlebend. Und als Lebende haben sie eine Chance, vielleicht anders als man es von Vampiren gewohnt ist. Allerdings wird die Brücke zum Partner nur von der Frau wahrgenommen...

Deutlicher als bei den anderen Geschichten der Anthologie wird bei ‚Seelenpfand‘ das Vampirprinzip zum Lebensprinzip von realen Menschen. Wie der eine sich am Leben erhält, indem er sich anderes Leben in gewisser Weise einverleibt, wird an Protagonisten demonstriert, die im Hier und Jetzt leben, und die nicht die Verfremdung zu typischen Vampiren über sich ergehen lassen mußten.
Eine nachdenkliche, lesenswerte Geschichte, die ohne Individuelles aufzugeben, auf Archtypisches hinweist.