altFaszinierende und packende Lektüre, Günther Lietz - www.buchrezicenter.de

„Kriecher“ erzählt in fünf Novellen und vier Interludien die Geschichte des gleichnamigen Antihelden. Kriecher ist ein Wesen der bösen Göttin Medoreigtulb, die ihn aus einem Frauenmörder geformt und auf die Welt losgelassen hat. Doch Kriecher entwickelt ein eigenes Bewusstsein, sucht neben Mord und Totschlag sein Selbst.

Auf der einen Seite eine bemitleidenswerte Kreatur, auf der anderen Seite ein Mörder mit bernsteinfarbenen Augen, den es nach Rache und Erlösung dürstet. Im finalen Kampf der Zyklopen gegen seine Göttin, scheint Kriechers Schicksal erfüllt zu werden ...

Marc-Alastor E.-E.s Epos um die Welt des Geisterdrachen beinhaltet auch kleinere Geschichten. Was als lose Publikation im Internet begann, sieht auch auf dem gedruckten Papier gut aus. Allerdings muss sich der Leser auf den Stil des Autoren einlassen. Dieser benutzt nämliche eine etwas gestelzte Umgangssprache, die für diese Dark Fantasy sehr passend ist. Trotzdem trifft man des öfteren auf Worte, die im ersten Augenblick als Rechtschreibfehler erscheinen oder als Buchstabendreher. Diese Worte sind jedoch Absicht und ein Stilmittel des Autoren. Mehr über ihn und sein Werk kann man im Vorwort des Buchs erfahren, dass knapp, aber dennoch detailliert ist.

Im Zentrum der düsteren Geschichten steht Kriecher, eine neuartige, dämonische Kreatur der Göttin Medoreigtulb. Trotz seiner bösen Taten und seiner neuen Fähigkeiten, hat sich Kriecher ein Stück Menschlichkeit bewahrt – tief in seiner verletzten Seele. Diese trug durch den Verrat seiner Liebsten schlimme Wunden davon, von denen er sich nur langsam erholt. Seite für Seite kann der Leser diese Genesung mitverfolgen und an Kriechers dämonischem Leben teilhaben.

Dabei zeigt Marc-Alastor E.-E. eine fantastische Welt auf, die düster und gefährlich ist. Diese Welt wird von zwei Gottheiten geprägt, die beide grausam sind und einen Machtkampf austragen. Es ist oftmals schwer zu beurteilen, was für eine Gottheit den Vorzug erhalten sollte. Doch auch die Landschaft und die Bewohner dieser Welt tragen Kämpfe aus – im Großen wie im Kleinen.

Obwohl in einer Novelle nur schwerlich die Charaktertiefe jedes einzelnen ausgelotet werden kann – das gelingt nur bei Kriecher – wirken sämtliche Personen authentisch und wurden sehr stimmig in Szene gesetzt. Man möchte mehr erfahren, wird neugierig auf die Geschichten, trotz des etwas schwer zugänglichen Stil des Autoren.

„Kriecher“ ist eine faszinierende und packende Lektüre, die ihre Reize erst langsam entblößt, um sich dann voller Schönheit zu präsentieren. Es ist ein Buch fernab des Mainstreams, dessen Leserschaft erst einen Zugang finden muss, dann aber mit guten und durchdachten Geschichten belohnt wird.


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