altAdulator, Michael Birke, wwww.buchwurm.info.de

Mit "Adulator" setzt Marc-Alastor E.-E. seinen Dark-Fantasy-Zyklus "De Joco Suae Moechae" fort. Wieder steht sein Antiheld Kriecher im Mittelpunkt, der schon in dem nach ihn benannten Vorgänger "Kriecher" mit einem glänzenden Einstand überzeugte. "Adulator" schließt nahtlos an den Vorgängerband an, ist jedoch keine Sammlung miteinander verknüpfter Kurzgeschichten in Episodenform, sondern diesmal ein zusammenhängender Roman mit ungewöhnlichen, wechselnden Erzählperspektiven. Der Autor nennt "Adulator" ein Schauerspiel, und damit verspricht er nicht zu viel…


Knapp sechzig Jahre sind vergangen, seit Kriecher die Stadt Innocenz als einen Zufluchtsort für Verfemte und Ausgestoßene gründete. Mittlerweile ist die Stadt verfallen, die einstige Zuflucht wird nur noch von untoten Monstern bevölkert. Denn Fürst Adulator – niemand anders als Kriecher – ernährte sich in seinem Tempel von der Lebensenergie der Bewohner.

Die damals von Kriecher verschonte Elfenkönigin Gvynlane Keridwen hat mittlerweile Zuflucht im Kaiserreich der Menschen gefunden. Sie sendet den Druiden Frater aus, um Adulator um Hilfe zu bitten und erneut in mit ihm in Kontakt zu treten. Denn die Göttin Medoreigtulb hat ihren Vernichtungsfeldzug erfolgreich forgesetzt und droht nun dem dekadent und selbstherrlich gewordenen Kaiserreich mit Krieg, fordert die Herausgabe der Elfenkönigin. Die Menschen unterschätzen die Boshaftigkeit und Finesse Medoreigtulbs, deren Kreuzzug bereits schon etliche Götter zum Opfer gefallen sind.

Kann Kriecher wirklich helfen, baut die Elfenkönigin ihre Hoffnungen auf Sand? Bis Kriecher in Aktion tritt, wird Medoreigtulb schon viel Unheil angerichtet haben, das Leben Gvynlanes wird nur noch von dem Scaintysten (entspricht in etwa einem Templer) Clacharc beschützt, der mit ihr im Netz der Verräter unterzugehen droht.


Die Geschichte ist, wie nach "Kriecher" nicht anders zu erwarten, angenehm düster und bedrohlich. Die böse Göttin Medoreigtulb fasziniert erneut mit ihrer Verderbtheit, während die das Licht und Hoffnung symbolisierende Elfenkönigin nur von schwachen, zerstrittenen und untereinander intrigierenden, zum Teil bereits auf Seiten der Göttin stehenden Menschen beschützt wird. Der naive Kaiser der Menschen lädt mit ihr quasi den Teufel in seine Hallen ein, und lässt sich von ihm verführen.

Wieder werden zahlreiche neue Charaktere eingeführt, die Welt des Geisterdrachen erweitert. Das hat leider ein wenig den Verlust des Fokus auf Kriecher zur Folge, den ich neben Medoreigtulb für die faszinierendste Figur halte. Stattdessen werden die unheimlich komplexe Welt Praegaia und viele ihrer zahlreichen Figuren wieder nur angerissen, man spürt deutlich: Das hier ist alles nur die Spitze eines Eisbergs, die leider so ein wenig im luftleeren Raum hängen bleibt. Der Leser kann jedoch über ein Schlüsselwort im Roman Zugang zum Geisterdrachen-Archiv erhalten und so ein wenig mehr über die Welt und die oft nur skizzierten Charaktere erfahren.

"Adulator" bedient sich einer anderen Erzählperspektive als Kriecher. Aus der Ich-Perspektive des Druiden Frater werden seine Erlebnisse in Innocenz und mit Kriecher beschrieben. Frater steht zu Kriecher in einer besonderen Verbindung, die sich erst am Ende des Romans offenbaren wird und die Geschichte in einem ganz neuen Licht erscheinen lässt, was gut zum zwiespältigen Wesen Kriechers passt. Auch schlechte, alte Bekannte Kriechers aus seinem Leben als Mensch, wie sein Rivale Colubridas, werden ihm auf Seiten der dunklen Göttin begegnen.

Die hoffnungslos-düstere Atmosphäre ist es, die "Adulator" auszeichnet. Eine faszinierende, düstere Vielfalt an Wesen, Religionen, Göttern und menschlichen Schwächen, die von der boshaften Medoreigtulb ausgenutzt werden, was für einige geradezu perfide Überraschungen sorgen wird.

Gespannt wartet man ab, wie Kriecher sich entscheiden und weiterentwickeln wird. Ist er noch zu retten oder doch nur einfach ein Mörder ohne Hoffnung? Wie wird die Geschichte enden? So viel sei verraten: Ein Happy-End gibt es genretypisch nicht. Dafür aber einige Überraschungen, die Lust auf mehr machen.

So empfiehlt es sich nicht nur, es ist zwingend erforderlich, den ganzen Zyklus "De Joco Suae Mochae" zu lesen. Denn sonst verpasst man den die Romane überspannenden Handlungsbogen der Metamorphose Kriechers. Sprachlich ist Marc-Alastor E.-E. der Konkurrenz weit voraus, was seinem innovativen Werk nur gut tut. Für sich kann "Adulator" gefallen, aber nicht vollständig überzeugen. Ein wenig der undankbare Mittelband des Zyklus, der hoffentlich bald seinen Abschluss mit "Tetelestai!" finden wird. Künftige Zyklen bieten hoffentlich mehr Einblicke in die faszinierende Welt des Geisterdrachen, umfangreichere Romane würden hier vielleicht Abhilfe schaffen. So wird oft Interesse geweckt und auf ein "Später" ohne Garantie vertröstet, was ein wenig bedauerlich ist, so hält sich zum Beispiel der namengebende Geisterdrache wieder einmal sehr im Hintergrund.

Das schöne, düster wirkende Cover ist im Stile "Kriechers" gehalten, insofern verwundert ein wenig die im Buch verwendete Formatierung: Dieselbe Schriftart wie im Vorgänger, nur kleiner, dafür hat man innen und außen einen wesentlich breiteren Rand, was besonders störend auffällt, wenn man Kriecher und Adulator nacheinander liest.


Mit "Adulator" beweist Marc-Alastor E.-E. erneut sein Talent für atmosphärische, düstere Szenarien mit episch breitem Hintergrund. Wer eine düstere, anspruchsvolle Lektüre sucht, findet wohl kaum eine bessere Alternative in der deutschen Fantasy. Man wünscht sich nur, der Autor würde einmal eine etwas umfangreichere (Adulator hat 328 Seiten) Geschichte in Angriff nehmen, die faszinierende Welt Praegaia schreit geradezu danach, endlich ihre vielen Geheimnisse zu offenbaren.


Wer mehr über die Welt Praegaia, den Autoren Marc-Alastor E.-E. sowie die Dark-Fantasy-Serie "Geisterdrache" und ihre Zyklen wissen möchte, wird hier fündig:

http://www.geisterdrache.de/
http://www.marc-alastor.de/
http://www.praegaia.de/